Wozu ist eine Farbtonmessung notwendig?
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2oo6 - Im Interview für die Zeitschrift Lackierprofi: Herr Hartke (rechts) der Fa. ColorProfi im Gespräch mit Jürgen Gäbel
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Identifikation Oftmals findet man keine Farbnummern oder -codierungen, z.B. bei US-Fahrzeugen, Oldtimern, Fahrzeugen aus der ehemaligen DDR oder Industrielackierungen. Sanitärfarben, Möbellacke und viele farbige Dinge unseres täglichen Lebens, so es um die Suche nach dem betreffenden Farbton geht, geben dem Lackierer oftmals Rätsel auf. Einzelne Autohersteller verzichten bewusst auf das Ausweisen der Farbcodes in ihren Fahrzeugen, um freien Werkstätten das Herausfinden der dort applizierten Farbe zu erschweren oder gar unmöglich zu machen und somit Sie als Kunden an ihre Marken-Autohäuser zu binden.
Farbtonanpassung Aber auch bei bekannten Farbnamen oder -codierungen kann ein Farbton durch Schwankungen im Herstellungsprozess, der Verarbeitung am Fließband der Car-Producer selbst oder einfach nur auf Grund von Alterung, stark vom einstigen Standard abweichen.
Kreation neuer, aber auch längst vergessener Mischrezepturen Es gibt von Zeit zu Zeit Fälle, da flitzt man mit dem Farbtonbuch durch die Werkstatt und versucht, durch Anlegen von dort abgebildeten Farbmustern den passenden Ton für pulverbeschichteten Metallbauartikel zu finden. Manchmal sind es auch vom Kunden mitgebrachte Fliesen, Sanitärobjekte, Küchen-, Badmöbelteile oder andere Gegenstände, für welche dringend die passende Farbe benötigt wird. Manchmal fällt darunter auch der Wunsch, ein altes Ost-Moped im DDR-Nostalgie-Look zu restaurieren. Auch bei anstehenden Marmorierungen oder anderen Effektausbildungen, passend zu Keramikkacheln oder Holz, sind Grundfarben oder zumindest die entsprechenden Mischfarben zu finden, welche dann dunkler oder heller eingestellt den richtigen Farbton ergeben. Der Vergleich mit Farbtonmustern ist da nur sehr subjektiv und ungenau.
Entscheidend greift hier die Farbtonmessung. Die anschließende computergestützte Rezepturberechnung orientiert sich am gemessenen Original und passt den aus einer riesigen Datenbank ermittelten Farbton an diesem an. Das ist eine große Hilfe und bringt oftmals ganz erhebliche Verbesserungen im Vergleich zu den Standardfarbtönen. |
Wie funktioniert eine Farbtonmessung?
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Das Farbtonmessgerät, auch Colorchecker oder Photospektrometer genannt, misst einen Farbton durch Aussendung von 3 Lichtblitzen in ebenfalls 3 verschiedenen Winkeln. Das ist wichtig, um auch bei Effekt-Tönen die durchaus anders erscheinenden Schrägsichten zu berücksichtigen. Um Fehlmessungen auszuschließen, muss dieser Vorgang, abhängig vom verwendeten Gerät, 3- bis 4-mal wiederholt werden. Ist die Messprozedur beendet, werden die im Checker gespeicherten Werte an einen PC übertragen und dort unter Nutzung einer ebenfalls mit Messwerten versehenen Farbdatenbank verglichen. Der im entsprechend vorgegebenen Fahrzeugtypbereich am besten passende Farbton wird ermittelt und aufgezeigt. Eine Beurteilung, wie nah die gefundene Farbe rein theoretisch am gemessenen Original liegt, erleichtert die Entscheidung, ob man die errechnete Farbe wählt oder "frei" suchen lässt. In letzterem Fall wird dann die gesamte zur Verfügung stehende Datenbank durchkämmt, um einen Farbton mit noch besseren Ergebnissen zu erhalten.
Bei der Ausgabe der Rezeptformel wird der ermittelte Farbton schon das erste Mal dem am Fahrzeug gemessenen Wert angepasst, d.h. verbessert. Da viele Kriterien das Ergebnis beeinflussen können, empfiehlt es sich, ein Probeblech zu spritzen. Solche Influenzen können sein: der Zustand der gemessenen Originalvorlage, die Applikationsweise des Spritzlackierers, die Produktionscharge der gerade zum Einsatz kommenden Mischfarben und nicht zuletzt eine mit einem anderen als unserem Farbtonmessgerät eingemessene Datenbank des Lackherstellers. Mit Automatchic der Firma Sikkens ist es dann sogar möglich, eine Korrekturmessung und -rechnung vorzunehmen. Im Regelfall erhält man einen zum Standard verbesserten Farbton.
ABER nun anzunehmen, dass bei Verwendung von Farbtonmessgeräten auf ein Einlackieren in benachbarte Teile (bei Perl- und Metallic-Lackierungen) gänzlich verzichtet werden kann, ist und bleibt bis in die Gegenwart ein Wunschtraum des Lackierers und der Irrglaube so manchen Gutachters. Unser menschliches Auge ist mit der Unterscheidung von 2 Millionen Farbnuancen immer noch allen technischen Meßsystemen überlegen – auch noch 2017. Diesem Fakt hat der technische Fortschritt von 1995 bis heute noch keinen Abbruch getan, obwohl kontinuierlich Verbesserungen in die Thematik einfließen.
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Persönliches Fazit
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Der alte Lackiererspruch „Alle schauen wie gebannt – der Meister tönt den Lack von Hand“, hat bei der enormen Vielzahl der Mischmaschinen-Tonerfarben ausgedient. Speziell im Metallic- und Perleffektbereich, aber auch bei einigen schwierigen Unifarbtönen sind schon kleinste Nuancen, wenn überhaupt noch manuell nachtönbar, mit enorm großen, zeitlichen Aufwand verbunden. Farbton nachstellen, Musterblech spritzen, Klarlack auf Musterblech spritzen (denn erst dann lässt sich der Farbton korrekt beurteilen). Diese Prozedur wiederholt sich bis zum zufriedenstellenden Endergebnis. Jede Zugabe einer Mischfarbe beeinflusst aber beide Blickwinkel, die für einen Effektlack prägend sind: die 90°-Draufsicht UND die Schrägsicht. Da kann es schon mal vorkommen, dass nach Stunden die Draufsicht OK ist, die Schrägsicht bei der ganzen Nachnuanciererei völlig abgeglitten ist. Sie können sich nun sicher vorstellen, dass (insbesondere bei Effektlacken) größere Differenzen auszugleichen zig Stunden und Tage kosten kann - mit dem Endresultat vieler Musterbleche, eine Menge vermischten Materials UND... dass der Lack dann immer noch nicht aus allen Blickwinkeln zufriedenstellend passt. Denn wir haben derzeit über 30! Effektpigment-Tonerfarben in den Farbmischbänken!!!
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Farbtonmessgeräte sollten Standard einer jeden Lackierwerkstatt sein!
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Da die Herstellung von visuell vergleichbaren Farbtondokumentationen immens teuer für die Lacklieferanten ist, könnten diese in ein paar Jahren mehr und mehr vom Markt verschwinden. Diese rückläufige Tendenz bemerken wir seit Jahren seitens unseres Lacklieferanten. Dem entgegenzusteuern und auch, weil wir selbst von den Vorteilen der Farbmesstechnik überzeugt sind, hatten wir seit dem 04. Dezember 2008 Sikkens' damals neues Automatchic 3 in Gebrauch. Der Lackierer, welcher aber glaubt, mit einem Farbmessgerät den Allround-Löser für all seine Farbtonprobleme zu erwerben, irrt gewaltig. Zu viele der oben erwähnten Faktoren werden eine 100%-ige Passgenauigkeit in absehbarer Zukunft nicht zulassen. DAS kann man heute schon mit Sicherheit prognostizieren! Zudem darf nicht vergessen werden, dass Farbtonmessgeräte in nur EINEM Lichttemperaturbereich messen. Dieser wurde zwar von den Geräteherstellern bestmöglich ausgesucht, kann aber Metamerien in anderen Lichtbereichen (z.B. Glühlampenlicht oder Abenddämmerung) nicht ganz ausschließen. Auch, wenn dafür eigens entwickelte Berechnungsalgorithmen mit Metamerie-Kennzahlen dieses vermeiden sollen.
2008 war das Jahr , in welchem die ersten 5-Winkel-Photospektrometer in den Werkstattbereich kommen sollten, um den immer raffinierteren Effektpigmenten und ihrer vom Betrachtungswinkel ständig changierenden „Appearance“ Rechnung zu tragen. Gegenwärtig arbeiten wir mit einem Farbmessgerät, das, mit einer Kamera versehen, die Grobheit der Körnung eines Effektlackes definieren kann. Das erleichtert die Auswahl, von 100%-igen Ergebnissen ist nicht die Rede.
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Die Beilackierung im reparierten oder ins benachbart angrenzende Fahrzeugteil
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wird also nach wie vor der Garant für eine unter allen Lichtverhältnissen unsichtbare Reparatur bleiben, auch wenn Ihnen UND uns so manche Gutachter und (Un)-Sachverständige das Gegenteil behaupten (gesonderter Beitrag).
Farbtonmessgeräte, wie Automatchic oder ChromaVision, können uns dem Originalfarbton ein gehöriges Stück näherbringen, erhöhen die Effizienz bei der Farbtonsuche und erleichtern die Entscheidung bei der Auswahl des richtigen Farbtones. Im Bereich der Industrie- und individuellen Lackierung sind sie bei uns im Betrieb nicht mehr wegzudenken, denn sie ermöglichen eine schnelle und zielgerichtete Rezepturausarbeitung. Sie sind umgebungslichtunabhängig einsetzbar und zusammen mit der Datenbank des jeweiligen Farbherstellers ermöglichen sie den Zugriff auf Farben (hier meine ich ganz besonders Wasserbasislacke), auf die die mit Farbpaspeln vergleichende Farbtonfindung bislang fast keinen Zugang hatte. Alles Bisherige an Farbmustern war meist nur gerakelt (aufgezogen) hergestellt – mit extra dafür gefertigten Materialien oder, zwar schon gespritzt, jedoch mit lösemittelhaltigen, konventionellen Basislacken. Die absolute Verlässlichkeit im Farbtonvergleich ist damit alleine schon in Frage gestellt. Wie die Fachkollegen wissen, sind gerademal ab 2007/08 die ersten Bemühungen im Gange, mit Wasserlack gespritzte Farbmuster auf den Markt zu bringen. Auch 2009 ist die Lage nicht viel anders. Einige Lackhersteller haben neue Farbfächer herausgebracht, die jedoch noch keineswegs den Umfang der alten Dokumentationen besitzen und vielleicht auch nicht mehr erreichen werden (sollen). Bei anderen tut sich noch gar nichts. Manche kämpfen ja schon jahrelang alleine daran, abgesehen von den sehr gut zur Verfügung stehenden Mischformeln mit unzähligen Varianten, die von uns aufgezeigten Mängel im Gebrauch mit ihrer Software zu beseitigen.
Man darf also für die weiteren Jahre gespannt sein... So endete mein Beitrag zum Thema „Farbmessung“ im Jahre 2009. Mittlerweile ist 2012 Geschichte und die 5-Winkel-Photospektrometer haben sich im Werkstatt-Bereich immer noch nicht etabliert. Doch anderes hat sich getan. Während einige Farbhersteller ihren Vorsprung in der Farbmesstechnik verspielten und jahrzehntelang an neuen Programmen herumbastelten, haben andere merklich aufgeholt und stehen heute auf mindestens gleicher Höhe zur Konkurrenz. Die Tendenz der Zusammenarbeit mit hauptsächlich einem Lacklieferanten führte dazu, dass wir uns 2011 von einem Farbmessgerät trennten. Das bei uns verbliebene erwies sich im Handling effizienter und, dank eines spürbaren Fortschrittes im dazugehörenden Kalkulationsprogramm, als überzeugend besser. Heute ist es uns möglich, ermittelte und korrigierte Ergebnisse in den Lackformeln visuell mit der gemessenen Originalfarbe des zu lackierenden Objektes am Bildschirm zu vergleichen und den Metamerie-Index (MI) als Auswahlkriterium mit zu berücksichtigen. Sicherlich ist dieses nur ein theoretisches Selektionsverfahren, jedoch erleichtert dieses „Screening“ unter Beachtung der in Zahlen angezeigten Messwerte auch schon weniger erfahrenen Nutzern die Entscheidung, welches der ermittelten Ergebnisse das Bestpassende sei. Anmerkung: So dachten wir 2011. Die jahrelange Anwendung hat uns eines Besseren gelehrt: Fazit im März 2017 - dem Bildschirmergebnis vertrauen wir überhaupt nicht und der MI
nur von erfahrenen Nutzern richtig interpretiert werden. Der erfahrene Lackierer orientiert sich nach wie vor an den Ingredienzen der Mischformeln selbst und wählt dann.
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Juli 2o13 - ChromaVision® Pro In den letzten Monaten des Jahres zuvor waren wir in der glücklichen Lage, das von DuPont weiterentwickelte ChromaVision® Pro zu testen. Das wesentlichste neue Feature an diesem Advice war die integrierte Kamera, mit deren Hilfe der Grobheitsgrad einer Effektfarbe automatisch bestimmt wird. Vordem war dies lediglich durch visuellen Vergleich mit einem sogenannten Flake-Selector (Fächer mit unterschiedlich groben Metallic-Mustern) möglich. Die zuvor für nicht in der Colormetrik-Abteilung des Lackherstellers beschäftigten Lackierer schwer verständliche Ergebnisanzeige in ∆E-Werten wurde auf Smileys vereinfacht. Und - es bringt tatsächlich noch etwas bessere Ergebnisse als alles, was wir bislang nutzten. Seit Ende Juli 2013 arbeiten wir neben unserem umfangreichen Spritzmusterarchiv recht viel mit dem neuen Gerät, welches zum permanent genutzten Equipment in unserer Firma wurde. Obgleich ich persönlich noch eine lange, lange Optimierungswunschliste an die Programmierer hätte! Die jedoch habe ich nun (2016) auf Grund jahrelangen Nichtreagierens ad acta gelegt. Anders als damals bei Akzo-Nobel wünscht man offensichtlich nicht die Zusammenarbeit mit engagierten Anwendern....
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12-05-2017 ChromaVision® Pro Mini Die für das II. Quartal geplante Markteinführung eines neuen, handlicheren Photospektrometers läuft an. Am 12. Mai konnten etliche eingeladene Kunden der ColorProfi AG in der Schulungswerkstatt Trebbin die Vorstellung des neuen ChromaVision® Pro Mini in einer in Szene gesetzten feierlichen Zeremonie erleben. Das neue Gerät ist wesentlich kleiner und soll auf Grund der minimierten Größe (innerer Messraum und Aufsetzöffnung) bessere Ergebnisse, besonders bei dunklen Farben bringen. Farbige LED-Indikatoren zeigen dem Nutzer den jeweiligen operativen Stand beim Messen an und ob die Messkopföffnung wirklich plan an der Messfläche aufliegt, ein wichtiger Aspekt für eine fehlerfreie Farbermittlung. Das Gerät hat eine integrierte Kamera (Grobheitsselektion bei Effektlacken), ist rechargeable und kann per WLAN die aufgenommenen Daten an den PC bzw. eine Waage mit integriertem Rechner übermitteln.
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Seit Ende 2017 arbeiten wir nun mit diesem Novum der Farbmesstechnik. Erleichterung bei der Selektion der richtigen Effect-Coarseness, angenehmeres Handling. Wesentliche Verbesserung bei den Ergebnissen gemessener dunkler Farbtöne konnten wir bislang so nicht bestätigen. Bei Misserfolgen könnte auch diese Weisheit zum Tragen kommen: „Was das Pigment nicht hergibt, kann auch die ausgefeilteste Farbmesstechnik nicht besser rechnen!“ Ein weiterer Aspekt, der die Farbmesstechnik an sich in Frage stellen könnte, kristallisiert sich mehr und mehr heraus: Begründet auf knallharte Materialeinsparung ausgerichtete Lackierprozesse in Fahrzeugherstellerwerken werden die Beschichtungen dünner/sparsamer. Mit anderen Worten: Von Zeit zu Zeit erleben wir Autolackierungen, die nicht mehr in voller Deckkraft appliziert wurden - der Untergrund scheint durch. Ein ernsthaftes Problem für Farbmessgeräte, deren Rechenalgorithmus versucht, daraus einen deckenden Farbton zu rechnen, der aber in Realität ganz anders aussehen kann.
Analog zur sukzessiven Markteinführung lief bei uns im November 2017 die Umstellung auf das Farbmischprogramm ChromaWeb, eine Online-Performance, welches die bewährte Offline-Variante ColorNet ablösen soll. Der Nachteil netzabhängig zu sein, wurde nun mit dem nun möglichen Zugriff von europa- auf weltweite Mischformelsuche um ein Vielfaches wettgemacht. Somit versprachen wir uns eine neue Dimension in der Qualität der Farbfindung und -ausarbeitung. Allerdings waren wir anfänglich nicht besonders erbaut, was den Kunden da geboten wurde. Eine wahre Zumutung für den Anwender, denn es schien, als ob das Programm nicht wirklich auf Funktionalität von praxisnahen Personen getestet wurde. Unsere Fehler- und Mängelprotokolle als Initiierung, weitergereicht an den Chef der Firma ColourProfi, von diesem verfeinert, präzisiert und mit Nachdruck an die richtigen Entwickleradressen gesendet, brachten deutlich spürbare Verbesserungen. Heute (02-2018) hat sich das Online-Farbmischprogramm zu einem durchaus praktikablen Werkzeug des Lackierers gemausert, mit welchem sich gut arbeiten lässt.
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