Seit Anfang der 70-er Jahre schlummerte ER in einer alten Bus-Werkstatt mang vielen anderen „Oldies“ den Schlaf der Ausgedienten und wartete aufs Verschrotten. Bis eines Tages ein findiges Ehepaar mit einer pfiffigen Idee IHN aus dem Dornröschenschlaf erweckten. Sein zweites Leben sollte er als kultiges, fahrendes „Bastian Foto-Studio“ bestreiten, denn ein solches wurde schon stationär betrieben. Ob die beiden schon wussten, welches Investment sie da angingen? Denn bis zum fertigen Glanzstück war es noch ein weiter, unvorhersehbarer Weg. Doch wie langweilig wäre unsere Welt, wenn es nicht immer wieder einige Enthusiasten unter uns gäbe???!!!
Warum gerade ER? Vielleicht war es die urige Form des Omnibusses (aus dem Lateinischen: omnibus = für alle), der mit seinem nachträglich aufgesetztem Hochdach die Herzen des Pärchens eroberte. Kommen doch unweigerliche Gedanken an den Cartoon „Cars“ oder meinen Lieblings-Pickup-Truck, den „Studebaker“ auf. Vielleicht aber war es auch der Name des Gefährts, der einen künftigen Geschäftserfolg verhieß. Denn kaum etwas stimmt so eindeutig optimistisch und Sicherheit vermittelnd, wie ein Garant!
Geboren in einer aufstrebenden Zeit voller Schaffenskraft Dieser hier hatte seine Geburtsstunde im Jahre 1956, da, wo noch keine Mauer Berlin teilte und das Gros der Leute emsig bestrebt war, die Folgen des Krieges auszumerzen. Es gab fast keine Fernseher, gar keine PCs, auch „Big Brother“, Handys und die Wii, all die Segnungen der heutigen Moderne, waren noch nicht erfunden. Seine Geburtsstadt lag im südöstlich gelegenen Zittau, unweit des landschaftlich-interessanten Kurortes namens Oybin. Dort nun, im Dreiländereck (DDR-Polen-Tschechoslowakei) wurde er, der Garant, Typ K 30, produziert.
Ein Auto für Tischler und Zimmerleute Damals wurden Türrahmen noch aus Holz gefertigt. Der Beruf dafür hieß Stellmacher....
Vom Granit zum Garant Das Werk konnte auf Tradition verweisen. Was 1888 mit der Produktion von Fadenbällchen (Bommeln) begann, durchlief in den nächsten Jahrzehnten eine regelrechte „Kette der Evolution“. Über Fahrräder ging es zu Motorrädern bis zum motorisierten Dreiradfahrzeug namens Phänomobil im Jahre 1905. Es folgten PKWs und schließlich LKWs, letztere mit der markigen Typenbezeichnung „Granit“. Nach Kriegsende ging das Werk in „Volkseigentum“ über. Der Name blieb zunächst, bis ein verlorener Rechtsstreit mit den Alteigentümern im Jahre '57 eine neue Namensgebung erzwang: VEB Robur Werke Zittau (robur = latein: Kraft). Schon im Jahr zuvor hatte man die produzierten Fahrzeuge von Phänomen Granit 30K auf Robur Garant 30K benannt.
You only live twice Der Titel des alten James Bond Films passt trefflich zur Reinkarnation des originellen Gefährts. Hatte der Zahn der Zeit an unserem „Garry“ doch ganze Arbeit geleistet. Viel Rost, die Motorhaube voller Beulen wie eine weggeworfene Aktentasche. Noch in der alten Halle restaurierten die gelernten Bus-Handwerker die nötigsten Blecharbeiten. Dann kam das gute Stück zu uns.
Die Suche nach dem Hutmacher WER ihm allerdings das Hochdach aufgepfropft hat, weiß keiner mehr. Eine topografische Landkarte der verschiedensten Farben offenbarte sich uns beim Schleifen des GFK-Daches und lässt etliche Jahre seines Bestehens vermuten.
Das Deutsche Reich bis in die Gegenwart Zur Realisierung eines werbewirksamen Mobils entschieden sich die Eigentümer, von den in den 60-er Jahren üblichen, eher blassen Farbkombinationen abzuweichen und mit einer knalligen Hauptfarbe einen auffälligen „Eye Catcher“ zu schaffen. Dennoch blieben wir bei Farben des RAL-Registers (RAL = Reichsausschuss für Lieferbedingungen). Ja, sie lesen richtig! In Deutschland gilt immer noch das bewährte Regelwerk, welches 1925 in der Weimarer Republik ins Leben gerufen wurde. Für den Farbenbereich wurde 1927 ein Farbfächer mit vierzig Farben entwickelt. Bis heute ist er die Norm für viele Wirtschaftszweige. Ob Feuerwehren, Krankenwagen, Taxis, Gasflaschen, Büromöbel oder andere Artikel des täglichen Bedarfs. Man identifiziert meist nach RAL. Allerdings ist der kleine Fächer von damals inzwischen auf 213 Farbtöne angewachsen.
Die Qual der Wahl - und der Arbeit Das Kundenpärchen wählte RAL 2010 Signalorange und RAL 1015 Hellelfenbein (Taxi-Beige) als Hauptfarben. Das dem polierten Aluminium gleichkommende und als 3-Schichtsystem zu applizierende SEC1111 Argentum der Lackfirma Sikkens wurde für Regenrinnen und Grillzierleisten verwendet. Unsere fleißigen Mitarbeiter entrosteten, schliffen, laminierten und spachtelten, was das Zeug hielt. Flächen mussten wieder hergestellt, Rostnarben beseitigt und Übergänge geglättet werden.
Was kostet es mich...? Fragen Sie uns nicht nach dem Preis! Für eine Oldtimer-Restaurierung kann man keine verlässliche Kosteneinschätzung abgeben. Die Spanne „von – bis“ ist einfach zu groß. Unvorhergesehene kleine Details am „Garry“ mehrten den Arbeitsaufwand erheblich, wollte man auf ein gutes Endergebnis nicht verzichten. FAZIT: Für das Glanzstück wurden letztendlich 463 erfasste Arbeitsstunden aufgewendet. Der real erhaltene Lohn reichte in diesem Falle nicht an die Kostendeckungsgrenze. Der virtuelle Lohn – die Freude in den Augen unseres Kundenehepaares und das Gefühl, etwas Großartiges geschaffen zu haben – ist unbezahlbar!
Garry heute Das alles liegt inzwischen weit zurück. Und wie geht es Garry heute? Nach gelungener OP erfreut er sich seines zweiten Lebens und schnurrt wie eine Biene, wenn ihn Herrchen und Frauchen ausführen (fahren). Allerdings wissen inzwischen seine Besitzer, dass Kraftfahrer zu sein was mit Kraft zu tun haben muss. Denn die braucht man, um Garry um die Ecke zu lenken. Man denkt nun über eine nachträgliche Transplantation nach - Garry soll demnächst eine Servolenkung bekommen....
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