Farbtondifferenzen

Im Bemühen um eine unsichtbare Reparatur oder Erneuerung eines Teiles bestimmen wir schon bei Auftragsannahme die Farbe und deren passende Variante. Wir wissen, dass die Passung eines nach dem im Fahrzeug stehenden Farbcode ausgemischter Farbtones äußerst selten ist. Sind dann Kunden noch anwesend und beobachten unsere Vergleiche, sind sie oft überrascht. Verstehen nicht, was da sooo kompliziert sein kann. Wir haben doch den Farbcode! Da muss die Farbe doch passen! Und gerade DAS ist ein Trugschluss.


Farbtonunterschiede - schon ab Werk?

   

Die Gründe um Farbtondifferenzen sind mannigfaltig und liegen vorrangig beim Fahrzeughersteller. Einige davon möchte ich nachfolgend anführen.

Vorrangig auf Absatz ausgerichtet, fällt dem optischen Eindruck der "Ware" auf potentielle Kundschaft eine primäre Bedeutung zu, welche die Forderungen an alle Lackhersteller stetig intensiviert. Ergo: die effektgebenden Pigmente wurden in den letzten Jahren mehr und mehr ausgefeilter im Aufbau und raffinierter in ihrer Optik. Und ihre Anzahl steigt stetig. Teilweise werden über Effektlacke eingefärbte Klarlacke appliziert, die Leuchtkraft und Tiefe eines Farbtones noch steigern sollen, wie z.B. bei einem Citroen mit dem "sündigen" Namen "Rouge Babylone". Reparaturfreundlichkeit scheint in den Chefetagen der Autoproduzenten ein Fremdwort zu sein. Der Endverbraucher merkt das erst an den immensen Kosten, die eine Reparaturlackierung an solchen Beschichtungen hervorruft. Auch eine andere Art des Kundenbetrugs fällt hierunter - die Mattlackierung. 

Einsparungen in der Fahrzeugherstellung sind für das Management der Fahrzeugproduzenten ein extrem wichtiges Kriterium. Teilweise neue interne Abrechnungsmodelle mit den Lackherstellern, aber auch Vorgaben der Umweltgesetzgebung veranlassen, dass, verbunden mit sehnlichst gewünschten Kostensenkungen, Beschichtungsverfahren jenseits des konventionellen Druckluftspritzens entwickelt und verfeinert wurden. Dem Decklack entsprechend abgestimmte, eingefärbte Grundierfüller werden aufgebracht. Die „teuren“ Basislackschichten immer dünner und damit durchscheinend appliziert, vermitteln erst im Zusammenspiel mit dem preiswerteren getönten Primer den visuellen Farbeindruck. Den Reparaturlackierer bringt die Transparenz der Decklacke sehr oft in die Bredouille, sogar Farbmessgeräte bringen dann falsche Ergebnisse oder verweigern gar ihre Dienste.

  LA5E - eine Unifarbe mit Tücken
Im Schatten und bei bedecktem Himmel OK - bei Sonnenlicht katastrophal! Die VW-Farbe LA5E - Maritimblau. Per Farbmessung als bestpassende Variante ermittelt!!! Und passt im Sonnenlicht trotzdem nicht.
Unterschiedliche Produktionsstandorte (z.B. Citroën-, Ford- und Mitsubishi-Modelle werden je in bis zu drei verschiedenen Ländern gebaut), Zulieferer von beispielsweise Stoßfängern, die diese im Spritzverfahren lackieren, während im Werk die Karosse in Rotationszerstäubertechnik beschichtet wird, bringen weitere Probleme mit sich.

Enormer Aufwand für die Lackhersteller

   

Aber auch lackherstellungsbedingt liegen etliche Ursachen von Farbtonschwankungen. Nichts auf dieser Welt ist 100%-ig gleich. Warum sollte es bei Farben anders sein? Die eine Lacklieferung an’s Band muss nicht unbedingt identisch mit der nachfolgenden sein. Die Gründe dafür können z.B. im Einkauf bei wechselnden Lackherstellern liegen. Aber auch beim Bezug von nur einem Lackproduzenten sind Differenzen möglich, die beispielsweise auf Veränderungen der Rezepturen durch Verbesserungen in der Entwicklung neuer Farbpigmente beruhen. Letztgenannte werden zum großen Teil aus Naturmaterialien erzeugt. Hinzu kommt, dass bei einem Großteil der Effektpigmente Metalloxidbeschichtungen in Nanoschichtstärke erfolgen, und Farben und Effekte zu kreieren. Da sind Toleranzen nicht immer vermeidbar und sollten somit einfach logisch verstanden und akzeptiert werden!

Dabei die Bemühungen unserer Lacklieferanten wirklich beachtlich. Sie sorgen nämlich unter immensen Zeit- und Geldinvestitionen für eine möglichst aktuelle Farbdokumentation, sammeln, vergleichen und messen eingesendete, werkslackierte Bleche aus beschädigten Fahrzeugen ein. Sie sind bestrebt, die auftretenden Automobilwerksdifferenzen mit der zusätzlichen Ausgabe von Variationsrezepturen möglichst gering zu halten. Um 2009 herum gebrauchen wir eine Farbvariantendoku der Firma DuPont, die grob überschlagen um die 10.500 (Zehntausendfünfhundert!!!) Variantenmuster enthält. Wohlgemerkt, ich schreibe hier von Varianten, also Abweichungen von farbcode-entsprechenden Standardtönen! Ein recht eindeutiger Beleg für ständige Farbtonschwankungen aus der Fahrzeugproduktion.

Haben Sie eigentlich schon einmal an Ihrem Auto die Stoßfänger mit dem Rest der Karosse verglichen?

 
01-werkslackierungsdifferenzen
02-extrembetrachtungswinkel
01-werkslackierungsdifferenzen
02-extrembetrachtungswinkel

Viele Fahrzeuge weisen schon ab Werk Farbunterschiede von Stoßfänger zu Karosse auf. Die Gründe können unterschiedliche Applikationsweisen des Basislackes, aber oftmals auch nur montagebedingte minimale Änderungen des Flächenwinkels sein. Gut zu sehen, wie sich der Unterschied bei Änderung des Betrachtungswinkels verstärkt!

Werkstattprobleme um eine unsichtbare Reparatur

Die Farbmischbankbestückung ist ebenfalls eine nicht außer Acht zu lassende Komponente. Die Farbmischmaschinen, welche Lackhersteller ihren Kunden zur Verfügung stellen sind mit einer beschränkten Anzahl an Mischtonern ausgestattet. Der Sinn ist eine sich "drehende" Bestückung mit Mischfarben. Solche, die sich öfters anwenden lassen, um so vor Ablauf der Haltbarkeitsdauer verbraucht zu sein. Je nach Hersteller sind das heutzutage um die 55-80 Mischfarben (pro Qualität) bestückt. Um 1990 waren diese Mischbänke noch um ca. 20 Farbtöne kleiner. Gerademal 10-12 davon waren effektgebende Metall- oder Perltoner. Gegenwärtig besteht fast die Hälfte der MM-Bestückung aus Effekt-Mischfarben! Das heißt, zwei Drittel mehr als vor 30 Jahren!!! Die bei uns verwendete Basislackreihe CromaxPro® beispielsweise umfasst insgesamt 77 Mischtoner, davon 37 Dosen Effektmaterial (Stand April 2020). Zum Vergleich und zum Nachdenklichmachen: Mischbanksysteme der Farbhersteller für das Produktionsband der Autohersteller umfassen weit über 2000 Farbtoner (Quelle: Technische IFL-Mitteilung Nr. 02/2020!!!)

Da am Produktionsband verarbeitete Originallacke sich auf Grund ihres engen Verarbeitungsfensters nicht für Reparaturbetriebe eignen, werden weltweit alle, ich betone ausdrücklich ALLE, Rezepturen auf "Refinishing", d.h. Reparaturmaterial konvertiert, d.h. auf andere Bindemittel und vor allem auf eine reduzierte Anzahl von Tonern der im Reparaturmarkt geläufigen Farbmischbänke eingestellt. Mit anderen Worten:

Reparaturlackierereien weltweit verarbeiten nachgestellte Kompromissfarbtöne!

Die differenzierende Bindemittelverwendung ist ein weiteres Beispiel aus der Werkstatt: Basislacke werden in konventionelle, lösungsmittelhaltige und umweltfreundlichere, wasserverdünnbare Farben unterschieden.

  Farbfächer
Eine kleine Hilfe der Lackhersteller mit Vergleichsmusterfächern: Hier sind FÜNF Variationen EINES Farbtones, wie er werksseitig lackiert wird, berücksichtigt. Jedoch ist die Verlässlichkeit nur gering. Ältere Fächer sind noch gedruckt - mit rakelfähigen, also nicht mit den Reparaturfarben identischen Materialien. Die neueren sind zwar gespritzt, können aber die Unterschiede EINES Farbtones, wie sie zwischen lösemittelhaltigen und wasserlöslichen Produkten unvermeidbar sind, nicht befriedigend aufzeigen.

Wenn Sie nun glauben, dass ein und derselbe Farbton in konventionell und Wasser identisch sei (was ja rein theoretisch vom gleichen Lackhersteller durchaus möglich sein sollte), dann irren Sie gewaltig. Die unterschiedlichen Bindemittelqualitäten (lösemittelhaltig und wasserbasierend) erfordern bei gleichem Farbton teilweise unterschiedliche Zusammensetzungen der Pigmente. Folglich haben wir kaum Farbtöne, deren Aussehen konventionell oder "in Wasser" deckungsgleich ist. Im nachfolgenden Website-Artikel „Metamerie“ lesen Sie um einen weiteren möglichen Unterschiedsaspekt.

Als letztes sind die unterschiedlichen Werkstattbedingungen zu nennen,  die ein gleichbleibendes Ergebnis beeinflussen und erschweren können. Besonders bei Farbtönen, die Effektpigmente enthalten, können Applikationsweise, Viskosität, Temperatur, Luftdruck und –feuchte sowie Größe der Spritzdüse das Aussehen eines Farbtones beeinflussen.

Schon selbst zwei verschiedene Spritzlackierer sind ein Problem!


Unser Auge der Elektronik überlegen

 
Ergebnis-Farbmessung

Die Expertenaussagen schwanken enorm bei der Beurteilung der Anzahl von Farben, welche unser menschliches Auge wahrnehmen kann. Zwischen 400.000 und 20 Millionen werden da angegeben. Betrachtet das Auge zwei Farbflächen im Vergleich, so kommt zu der sicherlich guten Farbempfindlichkeit eine wichtige Eigenschaft hinzu. Wir betrachten jeden Punkt einer Fläche aus verschiedenen Winkeln. Es sind z.B. bei der Betrachtung einer Fahrzeugseite Hunderte von Ansichtswinkeln, die wir sehen und unterscheiden. Da sogar hochtechnisierte Farbtonmessgeräte je nach Bauweise nur 3 bis 10 Winkel in ihre Messung aufnehmen, kommen sie an die Fähigkeit unserer Augen, Farbunterschiede zu sehen, nicht heran.

Das Auge hat aber auch eine Schwäche – es lässt sich täuschen. Und wie man diesen Umstand nutzt, um die unsichtbare Reparatur zu erreichen, das erfahren Sie, wenn Sie den Beitrag „Die Beilackierung“ lesen.

 
Auszug aus der Technischen IFL-Mitteilung Nr. 02/2020
Bei ca. 175 Fahrzeugherstellern weltweit, mit ca. 350 Produktionsstätten, 1.200 neuen Farbtönen jährlich, 10.000 Pigmenten im Markt, ist die Vielfalt schier unüberschaubar. Die Fahrzeughersteller und Importeure können auf ca. 2.000 Pigmente zurückgreifen.
In der Reparaturlackierung stehen den Lackierfachbetrieben allerdings derzeit lediglich 100 Pigmente zur Verfügung. Dazu kommen starke Farb- und Helligkeitsflops sowie unterschiedlichste Grobheiten der Pigmente. Die Primer/Füller sind heute auch farbgebende Elemente. Eingefärbte Klarlacke (lasierend), diverse Lasuren, fehlende Deckkraft (Robotrack), machen selbst „schwarz und weiß“ zu einer Herausforderung.
     

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