Metamerie

Zum Feierabend holen Sie Ihr repariertes Fahrzeug bei Ihrem Lackierer ab. Freuen sich, nun endlich wieder mit einem makellosen Glanzstück durch Stadt und Land kutschieren zu können und fahren noch schnell an die Tankstelle. Beim Verlassen der Kasse fällt Ihr Blick schon von Weitem auf die reparierte Seite. Erstarren vor Schreck und das Anschwellen der Halsschlagadern vor Zorn sind augenblicklich. "What a f....!" Die eben in Empfang genommene Reparaturlackierung hebt sich mit einem gewaltigen Farbunterschied vom Rest der Karosserie ab.

Nächsten Morgen stehen Sie zur Reklamation auf dem Hof der Lackiererei. Jedoch, es ist wie verhext. Weder der Lackierermeister noch Sie selbst können nun einen Unterschied ausmachen. Der Kollege da faselt was von „eventueller Metamerie“….  


Was ist eigentlich Metamerie?

   

Ich möchte Sie nun nicht langweilen mit ausführlichen Vorträgen aus der Optik. Nur so viel: Farben entstehen für unser menschliches Auge, wenn Licht auf Oberflächen trifft und reflektiert wird. Weißes Licht wird dabei teilweise zurückgeworfen, teils verschluckt (absorbiert). Je nachdem, welcher Anteil des Lichtes reflektiert wird, empfinden wir eine bestimmte Farbe.

Der Farbeindruck, den wir empfangen, ist immer vom Umgebungslicht, aber auch von Material, Zusammensetzung und Aufbau der beschienenden Oberfläche abhängig. Sicherlich kennen Sie den Effekt, wenn zu einem Kleidungsstück ein wenig später was farblich Gleiches dazugekauft werden soll. Im Geschäft unter Kunstlicht alles prima, kaum aber auf der Straße bemerken Sie, dass die vermeintlich vorher absolut identischen Farben (von Jacke und Hose) es nun doch nicht sind. Sie haben es mit Metamerie zu tun, dem unterschiedlichen Erscheinen zweier Farben bei wechselndem Umgebungslicht.

Voraussetzung für ein unter jeder Beleuchtung perfekt zum Original passenden Farbton ist, dass seine Zusammensetzung absolut identisch zum Original ist. Ein Riesenproblem für die Lack-, aber auch Druck- und Färbeindustrie. Die Auswahl der Farbpigmente aber auch das Bindemittel des Farbmaterials haben entscheidenden Einfluss auf das Verhalten einer Farbbeschichtung unter wechselndem Licht (Siehe „Farbunterschiede“). Nur identisches Original-Material, abgefüllt am Produktionsband des Autoherstellers, passt in allen Lichtverhältnissen ohne Farbunterschied. Dieses ist jedoch für den Reparatursektor weder erhältlich noch verarbeitbar (Siehe hierzu den Beitrag „Originallack?“).

Die nebenstehenden Abb. zeigen den visuellen Eindruck zweier metamerer Farben. Wohlgemerkt: es handelt sich um EINUNDDIESELBE Karte, nur unter verschiedenen Lichteinflüssen gesehen!

  Metamerie InsektionskarteMetamerie Inspection Card bei Tageslicht


Metamerie InsektionskarteDieselbe Karte unter Glühlampenbeleuchtung


Chemielabor

Lackindustrie und Metamerie

 

Hervorgerufen wird Metamerie durch die Verwendung verschiedener, aber nicht identischer Pigmentkombinationen und Bindemittel.

Viel Aufwand wird von den Lackherstellern bei der Nachstellung von Farbtonvorlagen betrieben. Denn, von den vier weltweit größten Lackherstellern kennt jeweils nur einer das Ur-Rezept. Nämlich der, der das Standardmuster für eine neue Automobilfarbe für den jeweiligen Autohersteller komponiert hat. Und der hütet sein Geheimnis.

Auch ein Kauf der Reparaturfarbe beim Hauslieferanten einer Automarke kann keine Metamerie-Effekte ausschließen, da ja das Reparaturmaterial nicht mehr identisch zum am Band verarbeiteten Lackmaterial ist. Andere Bindemittel und dafür geeignete und verträgliche Pigmente können Abweichungen zur Originallackierung ergeben, sobald sich das Umgebungslicht ändert.

Alle Lackhersteller mühen sich redlich. Sorgfältige Pigmentauswahl, Abprüfen dieser unter verschiedenen Lichtquellen und Mikroskopen sollen unerwünschte Metamerie weitestgehend vermeiden. Immer wieder werden Reflexionskurven verglichen, Pigmentzusammensetzungen chemisch analysiert. Erfahrung spielt in diesen Fällen eine wichtige Rolle. Und doch gelingt es nicht immer vollständig, absolut deckungsgleiche Spektralkurven nachzustellen.

 

Vermeidung von Metamerie in der Praxis

Tageslichtlampen
Vor einigen Jahren kam 3M mit einer Tageslichtlampe auf den Markt, die bei der Vergleichsbeurteilung von Spritzmustern zum Originallack helfen sollte. Auch wir kauften dummerweise dieses überteuerte, nutzlose Gerät, denn unsere Praxis bewies: Die Verlässlichkeit der Beurteilung eines Farbtones bei Nutzung dieser luftgekühlten Halogenlampe ist keineswegs sicher. Schnell kommt es zu Überstrahlungen und oft reicht zu deren Vermeidung nicht mal die Entfernung einer mit ausgestrecktem Arm gehaltenen Leuchte.
Dez. 2015 kam ChromaLamp, ein LED-basiertes Gadget mit Tageslicht- als auch Kunstlichtsimulation. Wesentlich besser, nun mit jeweils drei verschiedenen Lichtstärken.  Aber auch hier Vorsicht vor Misinterpretationen. Wir verwenden sie hauptsächlich, um die Art der Perlpigmente im Originallack zu erkennen oder Schattierungen abzumustern, z.B. ob en Schwarz braun- oder blaustichig ist.

Farbmessgeräte
Ein Farbmessgerät dagegen kann bei der Frage nach Metamerie eine gute Hilfe sein. Zwar misst der Spektralphotometer-Messkopf die Farbe nur nach Tageslicht (6500 Kelvin), jedoch vergleicht das Computerprogramm die Messkurven der Originalfarbe mit denen der in der Datenbank gefundenen. Im Vergleich der Kurven ermittelt das Programm den Metamerie-Index, d.h. den theoretischen Wert, wie stark der ermittelte Farbton vom Auto-Standard abweichen wird, also auch Morgen- und Abend, Glühlampen- und Leuchtstoffröhrenlicht.

Die Software einiger Lacklieferanten bietet die Möglichkeit, sich den sogenannten Metamerie-Index Delta E einer ermittelten Farbton-Rezeptur anzeigen zu lassen, also die Metamerie-Abweichung zum gemessenen Standard (im Regelfall das Auto). Der geschulte Fachmann kann prognostizieren, wie gut der Farbton auch unter anderen Lichtquellen sein wird. Theoretisch! Eine Abweichung bis max. 0,5 soll gute Ergebnisse garantieren.
Im Idealfall sollte der ΔE-Wert 0 sein. Diesen hatten wir jedoch noch nie! Die Praxis sorgt immer wieder für Überraschungen, positiver wie auch negativer Art.

Auch mit Farbmessgeräten bleibt als Fazit: Farbtonunterschiede unmittelbar nach der Reparatur, aber auch nach Jahren der Alterung wirkungsvoll auszuschließen, bietet sich derzeit nur EIN wirklich funktionierendes technisches Verfahren an:

  Tageslichtlampe und ChromaVisionMini2017 LED-Tageslichtlampe und das neue, handliche Photospektrometer ChromaVision Pro Mini


Zwei Augen

Die Lackierung der angrenzenden Teile auslaufend in Beispritztechnik, auch Beilackierung genannt.

Damit die die Reparaturlackierung auch unter wechselnden Lichteinflüssen eine unsichtbare bleibt! Hier noch ein...

  

Beitrag besonders für Fachkollegen, Gutachter und Sachverständige

     

Zum Anfang nach oben...       zurück zur Startseite...